In Polen rufen beide Präsidentschaftskandidaten eine Woche vor der entscheidenden Wahl zu großen Demonstrationen auf. Der liberale Kandidat Rafal Trzaskowski hat seine Unterstützer zum „Marsch der Patrioten“ in Warschau eingeladen. Zur gleichen Zeit veranstaltet Karol Nawrocki, der Kandidat der konservativen PiS-Partei, einen „Marsch für Polen“. Beide Veranstaltungen finden heute in der Hauptstadt statt.
Mit diesen Märschen wollen beide Seiten ihre Anhänger motivieren und Stärke zeigen. Gleichzeitig hoffen sie, unentschlossene Wähler zu gewinnen. Umfragen zeigen ein sehr knappes Rennen. Beide Kandidaten können mit rund 47 Prozent der Stimmen bei der Stichwahl am kommenden Sonntag rechnen.
Das Ergebnis dieser Wahl wird nicht nur über Polens Zukunft entscheiden. Es wird auch Auswirkungen auf Europa haben. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine ist Polen politisch wichtiger geworden – sowohl in der EU als auch in der NATO. Das zeigte sich auch bei einer Reise nach Kiew, bei der Polens Premierminister Donald Tusk zusammen mit dem deutschen Kanzler Friedrich Merz, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer teilnahm.
Tusk braucht einen Wahlsieg von Trzaskowski, um seine Reformen umzusetzen. Der jetzige Präsident Andrzej Duda stammt aus den Reihen der PiS und hat viele Gesetze der Regierung mit seinem Veto blockiert. Sollte Nawrocki Präsident werden, wird er diese Blockade wahrscheinlich fortsetzen. Tusks Regierungsbündnis hat keine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament und kann das Veto des Präsidenten nicht überstimmen.
Ein wichtiges Thema im Wahlkampf ist der Umgang mit rechtsextremen Wählern. In der ersten Wahlrunde erhielten zwei rechtsradikale Kandidaten überraschend viele Stimmen. Slawomir Mentzen, ein Unternehmer mit einem Programm ähnlich wie „Make America Great Again“ von Donald Trump, erreichte fast 15 Prozent. Grzegorz Braun, bekannt für antisemitische Äußerungen, kam auf über sechs Prozent.
Beide sind jetzt aus dem Rennen, doch ihre Wähler könnten die Entscheidung bringen. Mentzen versucht nun, Einfluss auf die Stichwahl zu nehmen. Er lud Nawrocki und Trzaskowski jeweils einzeln in seine YouTube-Show ein. Dort legte er ihnen einen Acht-Punkte-Plan vor und forderte sie auf, diesen zu unterschreiben. Davon macht er seine Wahlempfehlung abhängig.
Nawrocki unterschrieb den Plan. In der Sendung lobte er Mentzen, sprach ihn mit „Herr Doktor“ an und kritisierte sogar Teile der PiS-Politik von rechts. Mit seiner Unterschrift versprach Nawrocki unter anderem, kein Gesetz zu akzeptieren, das einen NATO-Beitritt der Ukraine unterstützt. Er will den Zloty als nationale Währung schützen und keine weiteren Befugnisse an die EU abgeben.
Trzaskowski reagierte anders. Er unterschrieb den Plan nicht. In der Sendung erklärte er, warum er die Vorschläge ablehnt. Er betonte, dass die Ukraine Unterstützung von der NATO braucht, um Russland zu stoppen. Er sagte, dass Putin nur Stärke versteht und dass Polen selbst bedroht wäre, wenn die Ukraine keine Sicherheitsgarantien erhält. Trzaskowski wird daher wohl keine Unterstützung von Mentzens Wählern bekommen.
Diese Wahl wird die Richtung Polens bestimmen. Sie entscheidet über die Zusammenarbeit mit der EU, über die Unabhängigkeit der Justiz und über die Möglichkeit, politische Reformen umzusetzen. Die PiS hat in der Vergangenheit immer wieder mit der EU gestritten – vor allem bei Fragen der Medienfreiheit und der Justiz. Trzaskowski will das Vertrauen zu Brüssel wiederherstellen und demokratische Werte stärken.
Die heutigen Demonstrationen gelten als letzter Stimmungstest. Beide Lager wollen zeigen, dass sie mehr Unterstützung haben. Die Bilder aus Warschau könnten unentschlossene Wähler beeinflussen. Experten erwarten zehntausende Teilnehmer bei beiden Veranstaltungen. Der heutige Tag könnte ein Wendepunkt im Wahlkampf sein.
Die nächsten Tage sind entscheidend. Das Land ist tief gespalten und das Ergebnis bleibt ungewiss. Beide Kandidaten kämpfen nun um jede einzelne Stimme, während Europa gespannt auf Polen blickt.

