Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, eine neue große Offensive vorzubereiten. In seiner abendlichen Videobotschaft sagte er, es gebe keine Anzeichen dafür, dass Präsident Wladimir Putin bereit sei, den Krieg zu beenden oder eine diplomatische Lösung in Betracht zu ziehen. Stattdessen gebe es viele Hinweise darauf, dass Russland neue Angriffsoperationen plane.
In den vergangenen drei Tagen hat Russland eine Rekordzahl von Drohnenangriffen auf die Ukraine durchgeführt. In der Nacht zu Montag heulten erneut die Luftsirenen im Osten und Süden des Landes. Die ukrainische Luftwaffe warnte vor weiteren Drohnenangriffen in den Regionen Sumy, Charkiw, Dnipropetrowsk, Mykolajiw und in der Nähe der Hafenstadt Odessa. Medien berichteten von Explosionen in Sumy, das nahe der russischen Grenze liegt.
Ob die Angriffe so heftig waren wie am Wochenende, war zunächst unklar. Am Samstag und in der Nacht zu Sonntag meldete die Ukraine die heftigsten Drohnen- und Raketenangriffe seit Beginn des Krieges. Russland setzte dabei sowohl Drohnen als auch Marschflugkörper ein. Laut dem ukrainischen Militär wurde ein neuer Höchststand an Angriffen erreicht.
Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs steht das Land weiterhin unter Druck an der Front. Am Montag hätten russische Truppen 141 Angriffe gestartet, davon 53 im Raum Pokrowsk. Die Stadt hatte vor dem Krieg rund 60.000 Einwohner und gilt als strategisch wichtiges Ziel. Trotz massiver Angriffe kommen die russischen Truppen dort kaum voran. Pokrowsk ist inzwischen fast vollständig zerstört.
Militärexperten halten die Lage nördlich von Pokrowsk für besonders gefährlich. Zwischen Pokrowsk und Torezk sei den russischen Truppen ein Durchbruch gelungen, wodurch nun auch die Stadt Kostjantyniwka bedroht sei. Sollte dies zutreffen, käme Russland seinem Ziel näher, das gesamte Gebiet Donezk zu erobern.
Auch im Norden der Ukraine droht eine neue russische Offensive. Die Region Sumy gilt als mögliches Ziel für einen Sommerangriff, besonders seitdem sich ukrainische Truppen aus der russischen Region Kursk zurückgezogen haben. Präsident Putin hatte angekündigt, einen 30 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze zur Pufferzone machen zu wollen.
Selenskyj betonte, dass Russlands Vorgehen zeige, dass kein Interesse an Frieden bestehe. Die jüngsten Großangriffe auf ukrainische Städte seien aus militärischer Sicht sinnlos und dienten nur der Zerstörung. Er forderte erneut stärkere Sanktionen gegen Moskau und mehr internationalen Druck.
Auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump kritisierte die Angriffe und warf Putin vor, zu weit gegangen zu sein. Der Kreml wies die Kritik als übertrieben zurück. Ein Sprecher sagte, Putin tue nur das, was für die Sicherheit Russlands nötig sei.
In Deutschland sorgt eine Änderung der Waffenpolitik für Diskussionen. Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte, dass die Ukraine nun deutsche Waffen auch gegen Ziele in Russland einsetzen dürfe. Es gebe keine Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die von Deutschland, Großbritannien, Frankreich oder den USA geliefert wurden. Damit könne sich die Ukraine nun auch durch Angriffe auf russische Militärstellungen verteidigen.
Das stellt einen Kurswechsel gegenüber der Politik von Olaf Scholz dar. Dieser hatte im letzten Jahr nur den Einsatz deutscher Waffen nahe der Region Charkiw erlaubt. Eine weitergehende Freigabe lehnte er bislang ab.
Aus der SPD kam Kritik an Merz’ Entscheidung. Der außenpolitische Sprecher Ralf Stegner sagte, eine Ausweitung des Krieges sei falsch. Stattdessen sollten die diplomatischen Bemühungen verstärkt werden.
Auch der Kreml reagierte auf die Äußerung von Merz. Ein Sprecher bezeichnete die Entscheidung als gefährlich, falls sie zutreffe.
Während Russland seine Angriffe ausweitet, fordert die Ukraine weiterhin mehr Hilfe. Die Regierung bittet um zusätzliche Luftabwehrsysteme, mehr Waffen und härtere Sanktionen gegen Russland. Der Krieg dauert nun schon mehr als drei Jahre, viele Städte in der Ukraine sind zerstört. Dennoch bleibt das Land entschlossen, sich weiter zu verteidigen.

